Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit, Ästhetik und Qualität.
Dr. Tom Verhofstadt, Dr. Tobias Hahn, ZT Andrea Raber
Der Ersatz von einem Schneidezahn ist eine besondere Herausforderung, vor allem, wenn es sich um eine implantatgestützte Versorgung handelt. Die exakte Imitation der Anatomie eines natürlichen Zahnes unter strengen wirtschaftlichen Bedingungen ist keine leichte Aufgabe.
Viele Kriterien bei der Implantation und bei der Prothetik eines einzelnen Frontzahnes, können mit Fingerfertigkeit sowohl vom Chirurgen, Prothetiker als auch von Zahntechnikern gelöst werden, um einen gewissen Preis/Qualitätsstandard zu erreichen.
Diagnostik
Im vorliegenden Fallbeispiel verlor die Patientin nach einer endodontischen Behandlung den linken, lateralen Schneidezahn. Unglücklich über ihr Lächeln und über das Provisorium, erschien die 46 jährige Patientin in der Praxis und wünschte sich die Versorgung des oberen Frontzahns, um wieder ein natürliches Aussehen zu erhalten. Der Befund im Frontzahnbereich zeigte eine Rotation des Zahnes 12 und einen mesio-distalen Abstand von 6 mm zwischen Zahn 21 und 23. Weil die Zähne 21 und 23 nicht kariös waren, wurde vom behandelnden Zahnarzt keine von der gesetzlichen Krankenkasse befürwortete Regelleistung wie Modellgussprothese oder Brücke angeboten. Alternativ wäre nur ein Implantat zu setzen an der Stelle von Zahn 22. Aus technischer Sicht gab es Bedenken mit dem geringen mesio-distalen Abstand, da zwischen Implantat und Nachbarzahn minimal 1,5 mm Distanz gefordert wird.
Für die rot-weiß Ästhetik wurde nach einem Kompromiss gesucht, da die laterale Augmentation mit Membran und Knochenersatzmaterial den Kostenfaktor und die Patienten-Compliance erschwert hätte.
Säulen der Qualität
In einem Gesamtkonzept müssen die Wünsche des Patienten berücksichtigt werden. Dabei werden die Erwartungshaltungen von Patient und Zahnarzt, die Patienten-Compliance und die Faktoren: Zeitaufwand und finanzieller Umfang diskutiert. Wahrscheinlich ist der Kostenfaktor der wichtigste Faktor im Konzept. Finanzielle Konkurrenz von Billiganbietern als auch von Zahnärzten, wie von Zahnlaboren aus dem Ausland, und verschiedene Internetanbieter schädigen oft das Entscheidungsverhalten und die qualitative Voraussetzung einer zahnmedizinischen Versorgung zwischen Zahnarzt und Patient.
Qualität von Zahnversorgung, in unserem Fall die Versorgung einer Frontzahnlücke, kommt überein mit einer Reihe von Erwartungen von Standards, die aus verschiedenen Quellen gefunden werden. Die Gesundheitswissenschaft bestimmt die Wirksamkeit der Versorgung. Der Patient mit individuellen Werten und Erwartungen, bestimmt die Akzeptanz der Behandlung und soziale Erwartungen bestimmen die Legitimität. Die soziologische Legitimität kann sich daher nur an der Realität orientieren. Die Menschen verleihen ihr Ausdruck durch Enthusiasmus oder Anerkennung der Behandlung, die als ‘Legitimation’ verstanden wird.
Aus diesen Gründen ist die Konsequenz das Qualität nicht nur bestimmt wird durch technischen Fortschritt und Können, sondern dem Patienten Rechenschaft abgelegt werden muss. Darum steht der Behandler ständig im Konflikt mit seinem eigenen internen Qualitätsempfinden und der individuellen Präferenz seiner Patienten. Nur ein bestimmter Teil der Qualität wird vom Behandler angeboten und davon wird ein geringer Teil vom Patienten akzeptiert. Wichtig ist nur, dass die Qualität vom Behandler angeboten und durchgeführt wird, die von allen Parteien akzeptiert wird.
Folgendes Beispiel zeigt die Legitimität der Behandlung. Die Anerkennung des Patienten eine „feste“ Lösung zu Wahlen und sich zu distanzieren von einer „losen“ Lösung, was in Deutschland als „Regelleistung“ vermarktet wird.
Die Wirksamkeit der Versorgung und natürlich die Akzeptanz des Patienten (wer will keine weißen Zähne haben) zeigt, mehr und mehr, dass im Frontzahnbereich ästhetische Keramiklösungen langsam die Oberhand gewinnen, gegenüber grauen Titanabutments mit Metallkeramikversorgungen.
Chirurgische Phase
In diesem Fall war das primäre Ziel, ein maximaler Erhalt des vorhandenen dento-gingivalen Komplexes. Bei der Extraktion wurde darauf geachtet, dass die bukkale Knochenlamelle erhalten blieb, um die rot-weiße Ästhetik nicht zu verändern. Je mehr bukkaler Knochenverlust, je länger die klinische Krone desto unästhetischer das Ergebnis. Der Zahntechniker hat hierdurch keine Chance die rot-weiße Situation zu verbessern.
Nach einer sechswöchigen Abheilphase nach der Extraktion, wurde mit Hilfe einer Bohrschablone ein 3,5/11 Astra Tech Fixture im Rahmen einer verzögerten Sofortimplantation ausgewählt.
Wiederum nach einer sechswöchigen geschlossenen Einheilphase wurde das Implantat minimalinvasiv freigelegt. Astra Tech (Dentsply Implants) bietet als Standard ein Gingivaformer an, passend zur Implantatplattform der mit seinem Profil und Schulterhöhe die Weichgewebssituation optimal unterstützt.
Nach einer minimal dreiwöchigen Abheilung der periimplantären Weichgewebsmanschette erfolgte eine Situationsabformung mit individuellem, offenem Abformlöffel mit Schornsteingestalltung.
Provisorische Phase
In einem Qualitätsorientierendem Konzept ist diese Phase die Wichtigste im ganzen Behandlungsverlauf. Nicht nur für die Ausformung, Vorbereitung und Stabilisierung des peri-implantären Weichgewebes während der Einheilphase, aber auch zur Evaluierung ästhetischer Parameter vor der definitiven prothetischen Versorgung. Die Tulpenförmige Astra Tech Gingivaformer sind optimal geeignet um das Zahnfleisch auszuformen. Es ist eine sehr gute alternative für das individuell hergestellte Abutment. Das mehr Zeitaufwand, Kosten und Patienten-Compliance für den Zahnarzt und den Patienten verursacht. Später in der Abutmentphase wird am Fräszentrum mitgeteilt einen anatomischen Abutmentumfang zu gestalten. So bekommt die endgültige Krone mit wenig Zeitaufwand doch ihre natürliche anatomische Form.
Abutments
Für den prothetischen Aufbau im Frontzahnbereich kommt nur ein Abutment aus Zirkondioxid in Frage. Nur alleine wegen der hohen Biokompabilität des Materials kommt es zu einer verbesserten Weichgewebeadaptation und weniger Plaque- und Bakterienakkumulation. Konfektionierte Zirkondioxid-Abutments sind heute nicht mehr „State of the Art“ und sind aus Kosten- und Qualitätsgründen nicht mehr gebräuchlich.
Individuell gefertigte vollkeramische Aufbauten, die bereits die Geometrie eines präparierten Zahnes haben, sind unter dem Gesichtspunkt einer anatomisch korrekten Gerüstgestaltung und Unterstützung des Weichgewebes entsprechend vorteilhafter. Weiter bieten zirkondioxide Abutments im Frontzahnbereich eine hohe ästhetische Vorhersagbarkeit des Ergebnisses.
Mit einem Alginatabdruck wurde der Gegenkiefer abgeformt. Nach der Farbauswahl und der Kieferrelationsbestimmung wurden die Unterlagen zum Zahnlabor gegeben. Momentan bevorzuge ich aus qualitäts- und wirtschaftlichen Gründen ein komplettes Outsourcing. Dieser Fertigungsweg wird nach der Herstellung des Implantatmodelles gewählt. Für einen Zahn ist in der Regel kein Wax- oder Set-up notwendig. Mithilfe eines Online-Weborders werden dann über das Internet die Abutments in ihrer Eigenschaft definiert und die Bestellung aufgegeben. Der Anwender kann verschiedene Gestaltungsparameter des individuellen CAD/CAM-Abutments eingeben. Dazu gehört das Eingeben des Präparationsrandes, die Breite des Durchtrittsprofils, das Eingeben der Präparationshöhe und Material. In diesem Fall wurde eine Hohlkehlpräparation gewählt, mit dem weitesten anatomischen Abutmentumfang. Die Präparationshöhe wurde gemessen vom Zahnfleischsaum, wobei palatinal 0 mm, bukkal 0,75 mm und mesial und distal 0,5 mm eingegeben wurde. Bei zementierten Suprakonstruktionen sollte eine nur leicht subgingival gelegene Präparationsgrenze verwendet werden um Zementreste komplett entfernen zu können. Mehr als 1,5 mm subgingivale Präparationsränder sollten vermieden werden. Als Material wurde Zirkon angegeben in dem Farbton 30. Dieser Farbton ist die Dentinbasis für Vita A3 Kronenfarbe.
Ein Express-Paketservice holt und bringt die einartikulierten Modelle mit weichbleibender Zahnfleischmaske innerhalb von 7 Tagen.
Im Fertigungszentrum in Schweden werden mithilfe der von Astra Tech patentierten Software „Atlantis Virtual Abutment Design” die Abutments entsprechend der finalen Außengeometrie der Restauration konstruiert. Damit ist es für den Zahntechniker anschließend sehr einfach, die Krone im Labor anzufertigen. Die Kontrolle von Abutment kann vom Zahnarzt oder Zahntechniker mit einem 3D-Viewer kontrolliert und geprüft werden. Die Freigabe zur Fertigung der Abutments erfolgt per email. Astra Tech bietet auch Kooperationen an, bei denen die Anwender einen digitalen Scanner haben. So bieten 3M Espe mit dem Lava Scan ST System und Dental Wings ein schnelleres verfahren an, wobei das zahntechnische Implantatmodell eingescannt und die digitalen Daten sofort an das Fräszentrum in Schweden übermittelt werden.
Vollkeramikkrone
Lithiumdisilikat (LS2) ist für mich und meine Zahntechnikerin das Material der Wahl für Einzelkronen. Aufgrund der hohen Biegefestigkeit (bis 400 MPa) und seiner Ästhetik bietet das Material heute eine der besten Optionen im Frontzahnbereich an. Lithiumdisilikat IPS e.max Press kann wahlweise mittels Maltechnik, Cut-back oder Schichttechnik verarbeitet werden. (1)
Bei der Cut-Back Technik werden im Inzisalbereich Keramikmassen auf das gepresste Gerüst aufgeschichtet.
Der Vorteil einer geschichteten Krone ist die individuelle Farbgestaltung. Daher wurde im Frontzahnbereich ein IPS e.max Press HT Rohling benutzt, der ein ausgewogenes Verhältnis von Transfluenz und Chroma bietet. Was die Helligkeit betrifft, bevorzuge ich einen Ton heller zu nehmen als die definitive Zahnfarbe ist. Die Farbsättigung kann mithilfe des Impulse und Schneide-massen entsprechend eingestellt werden. Der geringe Auftrag an Schichtmassen führt mit wenigen Arbeitsschritten zu hochästhetischen Restaurationen.
Nach der Reinigung des Gerüstes und zur Erhöhung des Chromas aus der Tiefe führen wir den Washbrand oder Foundation mit Ceram Shades und Essence durch. Mit der Schichtmasse Transpa, Tanspa Incisal und Impulse wird sowohl die anatomische Form komplettiert als auch die individuelle Ästhetik erzielt. Der Malfarbenbrand und Glanzbrand wird miteinander durchgeführt.
Hierbei erzielen wir für den Patienten den Spagat zwischen einer hochästhetischen Krone mit wenig Zeitaufwand und mit einem geringen Anteil an Investitionen.und Zahntechnikkosten.
Zur Eingliederung der definitiven Vollkeramikkrone wurde der Gingivaformer aus dem Implantat entfernt. Das CAD/CAM-Zirkonoxidabutment wurde korrekt in die Sechskant-Innenverbindung des Implantates eingesetzt und mit einem Drehmoment von 20 Ncm. befestigt. Anschließend erfolgt die Einprobe und okklusale- und approximale Kontrolle der eMax Krone.
Eine Röntgenkontrollaufnahme zeigt die korrekte Position des Abutments und den spaltfreien Sitz der Krone. Lithiumdisilikat, kann adhäsiv und konventionell eingesetzt werden. (2) Dass Eingliedern von Kronen und Brücken bei natürlichen Stümpfen zementiere ich konventionell ein. Bei allen anderen Restaurationen wie z.B. endodontischen Zahnstümpfen und Implantatversorgungen bevorzuge ich das adhäsive einsetzten der Versorgungen. Die fertiggestellte Krone wird 20 Sekunden mit Flusssäure vorbehandelt und danach 60 Sekunden silanisiert. Das Silanisieren sollte erst kurz vor dem Einsetzen durchgeführt werden um die Kontamination mit Blut oder Speichel zu vermeiden. Eingesetzt wurde die Krone mit Clearfil Esthetic cement (Kuraray). Der Vorteil von diesem Kleber ist, dass er in verschiedenen Farben angeboten wird. Die verwendete Farbe die ich bevorzuge ist Clearfil Esthetic Clear oder Transparent, da diese Farbe den Effekt der Transluzenz beim Eingliedern nicht vernichtet.
Nach vier Wochen zeigte die Krone und das periimplantäre Weichgewebe ein gesundes und natürliches Erscheinungsbild.
Fazit
Durch intelligentes Outsourcing positionieren sich das Labor und die durchschnittliche Zahnarztpraxis stets an der Spitze der technischen Möglichkeiten. Das einzelne Labor kann dabei ein industrielles Equipment nutzen, das es sich nicht alleine leisten kann.
Die vorgestellte Methode schafft die Voraussetzung, patientenspezifische Abutments aus Zirkonoxid durch CAD/CAM-Technologie herzustellen, die manuelle und präfabrizierte Abutments Qualitativ und Wirtschaftlich weit überlegen sind. Dabei ist die rationelle Herstellung von “Full-Zirkon-Abutments” in der heutigen Zeit ein wichtiger Aspekt für Labor und Praxis. (3)
Für die Krone, mittels Cut-Back Technik ist die Investition und der Arbeitsaufwand im Labor geringer als bei der Herstellung einer Zirkonkrone. Lithiumdisilikat besitzt im Gegensatz zu Zirkon Fluoreszenz und ist dadurch perfekt positioniert gegenüber der Konkurrenz im Frontzahnbereich. Auch die mechanischen Eigenschaften sind gemäß den neuesten Untersuchungen, denen von Zirkonverblendkronen überlegen (4).
Diese Methode mit der Auswahl von Premiummaterialien kombiniert mit Outsourcing und ästhetischem Fingerspitzengefühl der Zahntechnik schafft den Spagat zwischen dem eigenen Qualitätsempfinden und der Wirtschaftlichkeit.
Literatur
- Hajto. Reduktion des Frakturrisikos vollkeramischer Restaurationen durch die Verwendung von Lithiumdisilikat. ZMK, 11, 2009.
- Böning, U. Ullmann, A. Wolf, K. Lazarek, M. Walter. Dreijährige klinische Bewährung konventionell zementierter Einzelkronen aus Lithiumdisilikat-Keramik. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 61, 604-611, 2006
- Kurbad Die neue Ökonomie vollkeramischer Restaurationen. Digital Dental News, 1: 18-25, 04, 2007
- PC Guess, R Zavanelli, N. Silva, VP Thompson. Zyklischer Ermüdungstest verschiedener Vollkeramikkronen. Zahnärztliche Fakultät New York University, 8, 2009.
Zahntechnikerin Andrea Raber hat ihre Ausbildung beim ZTM Möll aus Moers abgeschlossen und ist seit 25 Jahren als „Keramikerin“, tätig. Seit 12 Jahren arbeitet Sie im Praxislabor der Zahnarztpraxis Dr. Tom Verhofstadt. Ihr Spezial Gebiet liegt bei Astra Tech Implantaten mit Atlantis Abutments und Ivoclar Emax Presskeramik.
Dr. Tom Verhofstadt hat sein Staatsexamen an der Katholischen Universität Leuven (Belgien) und seine Promotion an der Universitätsklinik des Saarlandes im Jahre 2003 absolviert. Seit 1999 ist er in seiner eigenen Zahnarztpraxis in Kevelaer tätig. Seine Schwerpunkte liegen bei der Prothetik und der Kieferorthopädie.
Dr. Tobias Hahn hat sein Staatsexamen und seine Promotion im Jahre 2003 in Bonn absolviert. Seine Facharztprüfung für Oralchirurgie bestand er 2007 in Düsseldorf. Seit 2008 arbeitet er in seiner eigenen Zahnarztpraxis in Wuppertal, sein Schwerpunkt liegt in der Implantologie und seit 2008 ist er Fortbildungsreferent für Zahnärzte bei Astra Tech, heute Dentsply Implants.
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